Montag, 20. Juli 2015

Rezension: Kinderjahre Kaiser Karls. Aus unveröffentlichten Tagebüchern seines Großvaters von Gabriele Praschl-Bichler


In der heutigen Buchvorstellung geht es mal wieder um die Habsburger - genauer gesagt um das  Tagebuch von Erzherzog Carl Ludwig von Österreich. Im Vordergrund steht dessen Enkel Erzherzog Carl, der spätere letzte österreichische Kaiser Karl I. Die Tagebucheintragungen beginnen mit der Geburt Carls 1887 und enden mit dem Tod seines Großvaters im Jahre 1896 - leider fehlen die Jahrgänge 1890 und 1895. Das Buch hat 249 Seiten und 47 Abbildungen.

Zuerst gibt es eine Einführung in die bisher unbekannten Tagebücher eines Habsburgers. Dann wird der Tagebuchschreiber Carl Ludwig vorgestellt, dann die anderen wichtigen im Tagebuch vorkommenden Personen, wie Marie Theresia, die dritte Gemahlin des Chronisten, Erzherzog Otto und Erzherzogin Marie Josepha, die Eltern des kleinen Carl.

Die Eintragungen ins Tagebuch beginnen mit dem aufgeregten Carl Ludwig, der die Geburt seines ersten Enkelkinds erwartet, die kurz bevorsteht. Groß ist die Erleichterung als Carl gesund zur Welt kommt. Jeder noch so kleine Eindruck des Enkels wird vermerkt. Neben den Familienalltag schrieb Erzherzog Carl Ludwig auch seine offiziellen Verpflichtungen, die ihm sein Bruder Kaiser Franz Joseph I. übertragen hatte, und die ihn in der ganzen Monarchie umherreisen lies.

Der Tagesablauf von Carl Ludwig folgte zwar strikten Regeln wie früh aufstehen und Repräsentation, aber zwischendurch fand er immer Zeit für seinen kleinen Enkel Carl, den er beim Essen und in seinem Arbeitszimmer gern in seiner Nähe hatte. Laut den Tagebucheinträgen war Erzherzog Otto Carl ein guter Vater, der sich viel kümmerte. Deutlich schlechter kommt dagegen die Mutter Erzherzogin Marie Josepha, eine geborene Prinzessin von Sachsen, davon. Sie war ähnlich wie Kaiserin Elisabeth ständig auf Kur und auf Reisen und kümmerte sich kaum um ihr Kind. Carl wurde von ihr hin und her geschoben und oft alleine mit Bediensteten in Residenzen geschickt. Der kleine Carl wurde aber im engen Familienverband seines Großvaters, mit Stiefgroßmutter Marie Theresia, den Onkeln Franz Ferdinand, Ferdinand Karl sowie den Tanten Margarethe, Maria Annunziata und Elisabeth Amalie liebevoll aufgefangen und umsorgt.

Nebenbei erfährt man auch einiges "neues" über andere Habsburger, so war Kronprinz Rudolf, der einzige Sohn von Kaiser Franz Joseph, eng mit Erzherzog Otto befreundet. Er besuchte nicht nur den Vater Carls gerne, sondern auch seinen Onkel Carl Ludwig und dessen harmonische Familie, die im Gegensatz zu seiner eigenen stand.


17.8.1889 Geburtstag des Enkels. >>Ich ging dann zu Carl hinauf, um ihm zu gratuliren, da sein Geburtstag heute ist. MTh [Marie Theresia] war auch ... bei ihm u. brachte ihm einen Affen aus Tuch gemacht, der ihn sehr erfreute. Zum Frühstück kam auch Mitzi [Marie Josepha] mit Carl, u. da gaben ich u. die Kinder ihm unsere Geschenke. Es war schönes warmes Wetter heute ...<<  Kinderjahre Kaiser Karls. Seite 116


Zu seinen Geburts- und Namenstagen wurde der kleine Carl reichlich beschenkt, war er doch für einige Jahre das einzige Enkelkind in der Familie. Die schönsten Geschenke bekam der Kleine aber von einer Verwandten seiner Mutter, Königin Carola von Sachsen, die selbst keine Kinder hatte. Auch als Kind musste Carl schon viel reisen, er begleitete seine Mutter nach Cannes und stattete der Familie seiner Stiefgroßmutter einen Besuch ab, hier traf er auf das Baby Zita von Bourbon-Parma, welche er Jahre später heiraten sollte und die die Mutter seiner acht Kinder wurde.

Im Bildteil des Buches findet sich ein Porträt von Carl, dass von seinem Vater Otto gemalt wurde und dem Opa Carl Ludwig geschenkt wurde. Der stolze Großvater erwähnt dieses öfter im Journal. Aber noch eine andere Fotografie ist bemerkenswert, sie zeigt, ein großes Gruppenbild mit Klein-Carl, seiner Mutter und anderen Verwandten, Erzherzog Carl Ludwig steht nur eine Person getrennt von der Hofdamen Gräfin Sophie Chotek, die nach seinem Tod die Gattin von Franz Ferdinand wird.

Carl Ludwigs Tagebuch handelt auch von allen möglichen Krankheiten die die Familie heimsuchten. Auch der kleine Carl wurde nicht verschont und war oft kränklich. Der besorgte Großvater lies sich ständig Bericht erstatten und besuchte den Enkel so oft es passte. Eine bewerte Krankenpflegerin war Erzherzogin Marie Theresia, die auch nicht davor zurückschreckte den an Syphilis leidenden Erzherzog Otto zu umsorgen. Auch die teilweise schwerkranken Kinder Carl Ludwigs Franz Ferdinand und Margarethe, wurden gepflegt und durch Besuche von ihren Krankheiten abgelenkt.

Aus den Aufzeichnungen von Carl Ludwig ist auch ersichtlich, dass die Habsburger recht tolerant waren und erstaunlich modern was Sportarten wie Ski- und Radfahren anging. Auch die Frauen der Familie frönten diesen Freizeitspaß. Der kleine Carl bekam mit acht Jahren noch ein Geschwisterchen: Maximilian. Damit war die Familie komplett. Carl liebte seinen Bruder sehr und auch der Großvater schloss den neuen Enkel gleich ins Herz. Das Leben der kleinen Erzherzöge bestand im letzten Lebensjahr ihres Großvaters aus umziehen, reisen und lernen. Die jugendlichen Tanten spielten auch gerne mit ihren Neffen. Der letzte Tagebucheintrag stammt von Mitte Mai 1896, Erzherzog Carl Ludwig starb an den Folgen von versuchten Wasser aus dem Jordan, das er getrunken hatte. Damit endet unser Einblick in die Kindheit von Kaiser Karl.



Meine Meinung:
 
Kinderjahre Kaiser Karls gibt einen intimen Einblick in die Familie von
Erzherzog Carl Ludwig und das innige Verhältnis zu seinem Enkel Carl.
Das Tagebuch wurde hier zum ersten Mal veröffentlicht
und bringt nach so vielen Jahren noch einige neue Erkenntnisse,
wie über das enge Verhältnis Otto-Rudolf.
Die Autorin Gabriele Praschl-Bichler hat die Tagebucheinträge mit Kommentaren versehen,
die den Text und das gemeinte besser verständlich machen.
Die vielen schönen Fotos runden das Buch ab, hier ist vor allem das bereits erwähnte Bildnis
des kleinen Carl, das von seinem Vater gemalt wurde, zu nennen.
Positiv hervorzuheben ist auch der Anhang, hier befinden sich
6 Stammbäume der Habsburger und der im Tagebuch erwähnte Königshäuser.
Zu bemäkeln habe ich nichts.
Ein wirklich interessantes Buch.


 
Erhältlich bei: Amalthea Verlag oder im Buchhandel



Buch-Information
Verlag: Amalthea (2014), 256 Seiten, Gebundene Ausgabe,
ISBN: 978-3-85002-879-0, Sprache: Deutsch, Format: 14,9 x 3,2 x 22,1 cm
Preis: 24,95 €

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